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Sojabohnen, © Panthermedia / Fotokostic
Sojabohnen, © Panthermedia / Fotokostic

DLG / 05.09.2023
Ressourcenoptimierte Gewinnung alternativer Proteine

„Inhouse Farming – Feed & Food Show“ / Neue DLG-Plattform für Agrar- und Food-Systeme der Zukunft / Vom 12. bis 18. November 2023 in Hannover auf der Agritechnica

Pressemitteilung / (Frankfurt am Main) Welchen Beitrag können die „New Food Systeme“ zur Proteinversorgung der Zukunft leisten und welche prozesstechnischen Lösungen haben bereits die Praxisreife erlangt? Antworten auf diese Frage gibt die „Inhouse Farming – Feed & Food Show“, die vom 12. bis 18. November zeitgleich mit der Agritechnica, der Weltleitmesse der Landtechnik, in Hannover stattfindet. Im Fokus der von der DLG (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft) organisierten B2B-Plattform stehen Technologien, mit denen sich alternative Proteine aus Pflanzen, Insekten, Pilzen und Algen gewinnen lassen.

Mit dem anhaltenden Bevölkerungswachstum wird sich der weltweite Bedarf an tierischen Proteinen nach Einschätzung der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) bis zum Jahr 2050 verdoppeln. Neue Proteinquellen sind deshalb eines der großen Themen auf der „Inhouse Farming – Feed & Food Show“. Die neue Plattform der DLG bietet den Teilnehmenden einen Blick auf das Marktgeschehen und die Entwicklungen pflanzenbasierter, fermentierter und kultivierter Proteine für die Food-Branche. Ob es sich um Fermenter, Bioreaktoren, Filtrationssysteme oder Trockner handelt: Unternehmen finden auf der Veranstaltung in Hannover umfassende Informationen zur Herstellung alternativer Proteine.

Treibende Kraft der zellulären Landwirtschaft

„Die in den vergangenen Jahren entwickelten Technologien haben das Potenzial, die zelluläre Landwirtschaft in wirtschaftlichem Maßstab zu ermöglichen. Die auf der „Inhouse Farming – Feed & Food Show“ präsentierten Lösungen wirken sich auf die gesamte Wertschöpfungskette aus und optimieren die Herstellung alternativer Proteine für die Futtermittel- und Lebensmittelindustrie“, betont Carola K. Herbst, stellvertretende Geschäftsführerin des DLG-Fachzentrums Lebensmittel. Start-ups spielen hier eine wichtige Rolle. Sie treiben die Innovationen voran, stecken jedoch häufig noch im Labormaßstab fest – und das mit ganz eigenen Anforderungen an die Prozesse. „Die Skalierung dieser Prozesse auf ein industrielles Niveau bringt große Herausforderungen mit sich, denn sie erfordert eine konsistente Versorgung mit Rohstoffen, die Rationalisierung von Produktionsprozessen und den Aufbau eines Vertriebsnetzes“, so Carola Herbst.

Das GEA New Food Application and Technology Center of Excellence (ATC) in Hildesheim will die Lücke zwischen Forschung und Industrie schließen. Es beherbergt eine Pilotanlage zur Herstellung nachhaltiger Alternativen zu Fleisch, Milch, Meeresfrüchten und Ei durch Mikroorganismen und Zellzüchtung. Ziel ist es, vor Ort Kunden auf die notwendigen Prozesse und Produkte für die kommerzielle Fertigung vorzubereiten – eine Aufgabe, die sich auch die „Inhouse Farming ­– Feed & Food Show“ auf die Fahnen geschrieben hat.

Aufgabe des B2B-Treffpunkts ist es deshalb, die Akteure aus den Bereichen Inhouse Farming und Controlled Environment Agriculture in Hannover zusammenzubringen und beim Ausbau ihrer Netzwerke zu unterstützen. Zuletzt haben in Europa und Deutschland immer mehr etablierte Unternehmen das wirtschaftliche Potenzial von Start-ups erkannt, sie investierten verstärkt in pflanzliche wie auch kultivierbare Proteine. Carola K. Herbst: „Die Nutzung hochwertiger Nebenprodukte und die damit verbundene Rückführung wertvoller Nährstoffe in die Lebensmittelwirtschaft sind integrale Bestandteile neuer Protein-Strategien.“ Ein Beispiel ist die Kooperation der Bitburger Braugruppe mit dem Hamburger Start-Up Mushlabs. Geplant ist, dass Bitburger Kapazitäten sowie Nebenprodukte aus der Bierproduktion als Rohstoffe zur Verfügung stellt. Mushlabs will diese nutzen, um damit in einem hocheffizienten Fermentationsprozess Myzel von Speisepilzen zu kultivieren. Daraus sollen nährstoffreiche, minimal verarbeitete Lebensmittel hergestellt werden.

Mikroalgen optimal nutzen

Die Kultivierung von Algen in Photobioreaktoren ist ein weiterer Trend, der sich in Hannover präsentiert. Die Wasserpflanzen gelten als vielversprechende vegane Protein- und Nährstoffquelle. Je nach Algenart können die Einzeller Farbstoffe, Omega-3-Fettsäuren oder Proteine produzieren. Darüber hinaus stellen sie eine ideale Quelle für Biomasse dar, die sich als hochwertiges Futtermittel nutzen lässt. Um dieses Potenzial für die Landwirtschaft zu erschließen, beschäftigte sich das vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) geförderte Verbundprojekt „FuTuReS“ mit der Frage, wie die Kultivierung konkret gestaltet werden muss. Das Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB spielte dafür verschiedene Szenarien im Pilotmaßstab durch: Die Algenzucht in Photobioreaktoren bei Sonnenlicht in Freilandanlagen oder Gewächshäusern und mit künstlicher Beleuchtung in geschlossenen Indoor-Anlagen. Der Fokus der Untersuchungen richtete sich auf die Produktion von Fucoxanthin (ein Farbstoff), Eicosapentaensäure (eine Omega-3-Fettsäure) und Proteine sowie die hierbei generierte Wertschöpfung.

Die anschließenden Bilanzierungen an der Universität Hohenheim zeigten, dass die Beleuchtung mit künstlichem Licht aus energiesparenden LED-Lampen Vorteile gegenüber der Nutzung von Sonnenlicht hat. Durch die unterbrechungsfreie Lichtversorgung konnten die produzierte Mikroalgen-Biomasse von 14 auf 123 Tonnen pro Hektar gesteigert und gleichzeitig die Kosten für die Herstellung eines Kilogramms Biomasse erheblich gesenkt werden – um 70 Prozent. Zudem werden deutlich weniger Wasser und Fläche benötigt (80 beziehungsweise 86 Prozent). „Der gesteigerte Biomasse-Ertrag kompensiert die höheren Kosten der künstlichen Beleuchtung“, so das Fazit von Sebastian Weickert, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet „Nachwachsende Rohstoffe in der Bioökonomie“ an der Universität Hohenheim.

Alternative Proteine aus dem Bioreaktor

Unter günstigen Rahmenbedingungen könnte die Mikroalgenkultivierung für Akteure in der Landwirtschaft also ein neues Geschäftsfeld werden, um regional hochwertige Produkte zu erzeugen – „das Potenzial ist auf jeden Fall da“, bilanziert auch Dr. Christine Rösch, Leiterin der Forschungsgruppe „Nachhaltige Bioökonomie“ des Instituts für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Sie empfiehlt die konsequente Weiterentwicklung der Mikroalgentechnologie, vor allem im Hinblick auf die Automatisierung – ein Aspekt, den auch die Fachvorträge und Dialogveranstaltungen auf der DLG-Expert Stage Inhouse-Farming in Halle 24 aufgreifen. Denn die Bioreaktoren benötigen Systeme zur Steuerung von Parametern wie Temperatur, pH-Wert, Sauerstoff und Sterilität, um das Wachstum der Organismen zu erleichtern. Da jede Alge und jeder Mikroorganismus spezifische Umgebungsbedingungen bevorzugt, gilt es das Design der Reaktoren auf die im Verfahren verwendeten Organismen zuzuschneiden, um Ertrag und Produktqualität zu maximieren.

Kultiviertes Fleisch

Auch kultiviertes Fleisch (Cultivated Meat), das aus tierischen Zellen in Bioreaktoren gezüchtet wird, hat das Potenzial künftige Generationen auf klimafreundliche Weise zu ernähren. Weltweit gibt es derzeit nur eine Handvoll Unternehmen und Forschungsinstitute, die in diesem Bereich tätig sind. Basis für eine Zellvermehrung im industriellen Maßstab sind hochproliferative, tierische Zelllinien. Eine wichtige Kenngröße dafür ist die Zeit, die angibt, wie schnell sich die Zellen vermehren. Dabei zeigt sich, dass die klassischen Tierzellen wie Rind, Schwein oder Geflügel nicht unbedingt im Vordergrund stehen müssen. „Cultivated Meat sollte nicht immer als Rindfleischersatz gedacht werden. Beispielsweise zeigen die von uns isolierten Kaninchenzellen eine außergewöhnlich kurze Verdopplungszeit von etwa zwölf Stunden“, sagt Teresa Buck, Head of Cell Innovations bei CellTec Systems. Durch die Kombination verschiedener Zelllinien sowie unterschiedlicher Differenzierung würden sich sehr vielfältige Geschmacksrichtungen sowie Konsistenzen entwickeln lassen.

Geschlossene Agrarsysteme neu gedacht

Mit Blick auf die „Inhouse Farming – Feed & Food Show“ zeigt sich, dass der Einsatz modernster Biotechnologie mittlerweile eine skalierbare und nachhaltige Proteinproduktion auf höchster Qualitätsstufe ermöglicht. Im Vordergrund stehen auf dem Messegelände in Hannover deshalb neben Bioreaktoren für filamentöse Pilze beziehungsweise Mikroalgen auch die Technologien rund um das Vertical Farming und Insect Farming. Als alternative Proteinquellen dienen hierbei Pflanzen und Insekten. Viele der vom 12. bis 18. November in Hannover diskutierten Projekte kombinieren dabei die Herstellung alternativer Proteine mit der integrierten Nutzung aller Nebenströme zur Herstellung weiterer Rohstoffe. Das Ziel: Geschlossene, kosteneffiziente und ressourcenschonende Kreisläufe entlang der Wertschöpfung zu schaffen.

weitere Informationen: DLG, www.dlg.org