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Saalansicht, © DLG
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DLG / 08.12.2023
DLG-Kolloquium Regenerative Landwirtschaft: Vom Landwirt zum Ökosystemwirt

Eine verbindliche Definition für das Konzept der Regenerativen Landwirtschaft steht noch aus. Gleichzeitig richtet sich wachsende Aufmerksamkeit auf diesen neuen Ansatz der nachhaltigen Bewirtschaftung. Beim DLG-Kolloquium 2023 zum Thema „Regenerative Landwirtschaft“ am Dienstag in Berlin haben Expertinnen und Experten sowie Praktiker eine Einordnung dieses Konzepts vorgenommen und seine Potenziale analysiert.

Pressemitteilung / (Berlin) Vielversprechend an der Idee der Regenerativen Landwirtschaft sei der Anspruch, ein Mehr an Nachhaltigkeit in der Bewirtschaftung mit dem Erhalt der Produktivität in Einklang zu bringen, stellte DLG-Präsident Hubertus Paetow fest. Neu und begrüßenswert sei auch, dass der Ansatz der Regenerativen Landwirtschaft „dynamisch in Hinblick auf die Zielerreichung“ sei. Die Herangehensweise zur Erreichung von Zielen wie einer verbesserten Bodenqualität oder Biodiversität könne im Konzept der Regenerativen Landwirtschaft ergebnisorientiert angepasst werden. Das sei zielführender als ein „starres Festhalten an Regularien“, unterstrich Paetow auf dem DLG-Kolloquium.

Green Deal stellt zahlreiche Anforderungen an Bodengesundheit

Nach den Beobachtungen von PD Dr. Gernot Bodner von der Universität für Bodenkultur in Wien hat die Regenerative Landwirtschaft vor allem in den vergangenen zehn Jahren an Bedeutung gewonnen. Bodner identifizierte mehrere Treiber, die den darunter gefassten Praktiken Vorschub leisten. Politische Zielsetzungen wie das EU-Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsprogramm Green Deal etwa würden zur Verbesserung und zum Erhalt der Biodiversität zahlreiche Anforderungen an die Bodengesundheit und die Verbesserung der Bodenqualität formulieren.

Darüber hinaus zeige sich in vielen europäischen Ländern ein Trend zur konservierenden Landwirtschaft, deren Ansätze in der Regenerativen Landwirtschaft weiterentwickelt würden, erläuterte Bodner. Während die konservierende Landwirtschaft laut Bodner auf minimale Bodenbewegung, permanente Bodenbedeckung, sowie vielfältige Fruchtfolgen setze, lege die Regenerative Landwirtschaft zusätzlichen Fokus auf verbessertes Wurzelwachstum, Artenvielfalt über Mischkulturen oder Agroforstsysteme und, im Idealfall, eine Integration von Tieren. Fortschritte in der Landtechnik, wie etwa durch Systeme zur teilflächenspezifischen Bewirtschaftung, würden außerdem ihren Teil zur wachsenden Bedeutung des Konzeptes beitragen. Wissenschaftlicher Konsens bestehe bereits darüber, dass die Regenerative Landwirtschaft durch ihren Fokus auf Immergrün-Systeme einen stärkeren Effekt auf den Humusaufbau im Boden habe als der Ökolandbau oder die konservierende Landwirtschaft.

Vermarktungssysteme stehen noch aus

Ob auch Markterwartungen ein Treiber für die Regenerative Landwirtschaft sein können, sei gegenwärtig noch offen, führte Bodner aus. Beim biologischen Landbau sei dies mit eigenen Vermarktungssystemen, die sich im Laufe der Zeit herausgebildet hätten, der Fall. Ähnlich wie bei anderen, nachhaltigen Bewirtschaftungsansätzen sei aber auch bei der Regenerativen Landwirtschaft mit Ertragsrückgängen zu rechnen. Metastudien würden zeigen, dass der Ökolandbau im globalen Durchschnitt Ertragsrückgänge von 25 Prozent brächte, bei konservierender Bodenbearbeitung seien es rund 6 Prozent.

Prof. Dr. Verena Haberlah-Korr von der Fachhochschule Südwestfalen in Soest ging auf dem DLG-Kolloquium der Frage nach, welche Anknüpfungspunkte der Integrierte Pflanzenschutz an das Konzept der Regenerativen Landwirtschaft bietet. Wie der Integrierte Pflanzenschutz auch, setze die Regenerative Landwirtschaft stark auf vorbeugende Maßnahmen, um den Boden gesund zu halten. Dazu zählten eine maximale Bodenbedeckung sowie eine „maßvolle, angepasste Bearbeitung des Bodens.“ Als eine potenziell regenerative landwirtschaftliche Praxis stufte Haberlah-Korr zudem Spotspraying ein. Diese Precision-Farming-Technik erlaube beispielsweise eine gezielte und somit reduzierte Ausbringung von Herbiziden nur auf die Unkräuter, betonte die Expertin. Der „Instrumentenkasten“ des Integrierten Pflanzenschutzes zeige also durchaus Überschneidung zu den Prinzipien der Regenerativen Landwirtschaft, folgerte sie. Allerdings bleibe Pflanzenschutz auch zukünftig als „Medizin“ unverzichtbar, unterstrich die Professorin.

Positive Aufmerksamkeit für moderne Landwirtschaft

Warum die Regenerative Landwirtschaft sich als „Role Model“, als Vorbild, für die Weiterentwicklung der modernen Landwirtschaft eigne, skizzierte Lea Fließ, Geschäftsführerin des Forums Moderne Landwirtschaft. In der medialen Diskussion werde Regenerative Landwirtschaft sowohl von der Fach- als auch von der Publikumspresse als „Problemlöser“ betrachtet, so Fließ. Das Konzept beschere der modernen Landwirtschaft somit positive Aufmerksamkeit in der Gesellschaft. Das Forum Moderne Landwirtschaft und seine Mitglieder würden Regenerative Landwirtschaft als „das Beste aus beiden Welten“, also der konventionellen und ökologischen Landwirtschaft, definieren, betonte Fließ. Denn wissenschaftlich fundierte Praktiken aus beiden Ansätzen mit einem erwiesenen Nutzen für Bodengesundheit, Klimaschutz, Biodiversität und Ertragsresilienz würden in dem Konzept zum Einsatz kommen.

Transformation beginnt im Kopf

Einen Erfahrungsbericht aus der Praxis steuerte Jan Große-Kleimann vom Familienhof Große-Kleimann, einem konventionellen Schweinemast- und Ackerbaubetrieb im Münsterland, bei. Er plädierte für mehrdimensionale Lösungsansätze in der Bewirtschaftung. Diese bestehen nach seiner Auffassung in einer Behebung von Ursachen bestehender Probleme wie beispielsweise Erosion, statt einer bloßen Bekämpfung von Symptomen. Er betonte zudem, dass die „Transformation im Kopf beginnt“ – und mit einem Loslassen etablierter Lehrsätze einherginge: „Was kann ich heute unterstützen“, und nicht, „was kann ich heute bekämpfen“, laute die grundlegende Frage in der ganzheitlichen Landnutzung, unterstrich der Landwirt.

Auf seinem Hof setzt Große-Kleimann das Konzept der Regenerativen Landwirtschaft unter anderem in einem „Apfel-Agroforstsystem“ um. Darin würden der Getreideanbau und Obstbau miteinander kombiniert. Das Agroforstsystem erlaube dem Betrieb eine Diversifizierung in die Brotroggenvermarktung, da der Brotroggenanbau in das System integriert sei. Zudem würden wichtige Ökosystemleistungen erbracht: „Tiere, Vögel kommen durch die Vielfalt der Kulturen zurück“, so Große-Kleimann.

Er verhehlte gleichzeitig nicht, dass die Transformation zur Regenerativen Landwirtschaft, oder auch vom „Landwirt zum Ökosystemwirt“, Arbeit, Geld und Geduld erfordere: Zentral, aber auch aufwendig, ist aus Große-Kleimanns Sicht die Kommunikation mit der Gesellschaft, die essentiell für die Wertschätzung und Kaufbereitschaft von Erzeugnissen aus Regenerativer Landwirtschaft sei. Der Familienhof Große-Kleimann habe dazu beispielsweise eine Pflanzaktion für die Apfelbaum-Alleen im eigenen Agroforst-System durchgeführt. Auch würden Erfolge im Bodenaufbau einige Jahre Zeit brauchen, bis sie sichtbar würden. Und schließlich müsse man es aushalten, „die Transformation zu finanzieren.“

weitere Informationen: DLG, www.dlg.org