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Kalb mit Ohrmarken, © getreidekonservieren.de
Kalb mit Ohrmarken, © getreidekonservieren.de

DLG / 07.11.2022
Vom Transponder bis zum Etikett

Die EuroTier 2022 stellt transparente Prozesse in der Tierhaltung in den Mittelpunkt

Pressemitteilung / (Frankfurt am Main) Um eine kontinuierliche Überwachung der einzelnen Tiere zu gewährleisten, benötigen Landwirte zuverlässige Technologien, die sie bei der Bewältigung ihrer Aufgaben unterstützen – ganz im Sinne des Precision Livestock Farming, das vom 15. bis 18. November im Mittelpunkt der EuroTier 2022 steht. Neben Tierwohl und Tiergesundheit engagieren sich die Aussteller in Hannover dabei zunehmend für mehr Transparenz entlang der Lieferkette. Mit Blick auf die Lösungen der Fachmesse für Tierhaltung und Livestock-Management zeigt sich, warum die individuelle Identifizierung mittels digitaler Tools ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Rückverfolgbarkeit ist.

Die Transparenz entlang der gesamten Lebensmittelkette rückt zunehmend in den Fokus von Handel, Lebensmittelindustrie und Landwirtschaft. Mehr und mehr fleischverarbeitende Betriebe führen Rückverfolgungssysteme auf Einzeltierebene ein, was angesichts der Komplexität heutiger Lieferketten eine Mammutaufgabe ist – denn die Herkunftssicherung beginnt mit der Geburt und reicht bis zur Kennzeichnung an der Fleischtheke oder dem Etikett der Verpackung.

Transparenz vom Stall bis zur Theke

Egal ob Schwein, Geflügel, Schaf oder Rind: Die offizielle Kennzeichnung landwirtschaftlicher Nutztiere ist heute europaweit geregelt. Am Anfang stand die Einführung eines Systems zur Kennzeichnung und Registrierung von Rindern im Jahr 2000. Jedes Rind in der Europäischen Union wird seitdem einheitlich gekennzeichnet. So müssen alle Kälber nach der Geburt mit zwei identischen Doppelohrmarken unverwechselbar gekennzeichnet werden. Die Marken sind EU-weit gleich aufgebaut: Zunächst kommt das Länderkürzel, gefolgt von einer tierindividuellen zehnstelligen Nummer. Sie steht unter anderem für das Bundesland, den Regierungsbezirk, den Landkreis, die Gemeinde und die laufende Betriebsnummer. Alle Angaben sind zusätzlich als Barcode vermerkt, der sich mittels Scanner einlesen lässt. Gespeichert werden alle erforderlichen Daten im Herkunftssicherungs- und Informationssystems für Tiere (HI-Tier) in München. Neben Geburt und Tod muss jede Tierbewegung innerhalb von sieben Tagen an diese zentrale Datenbank gemeldet werden. Erfasst wird so der Lebenslauf eines jeden Rindes in Deutschland. Anhand der Ohrmarkennummer lässt er sich mit einem Klick anzeigen.

Unmittelbar nach der Schlachtung wird die Tieridentifikationsnummer auf der Ohrmarke mit einer neu zugeteilten Schlachtnummer verknüpft und festgehalten. Um die vollständige Rückverfolgbarkeit bis zur Ladentheke zu gewährleisten, meldet der Schlachthof das Schlachtdatum, das Schlachtkörpergewicht und die Schlachtkörperkategorie an die zentrale Datenbank. Auf diese Weise lassen sich die Herkunfts- sowie alle Haltungs- und Schlachtbetriebe eines Tieres feststellen und auf dem Etikett des Fleisches angegeben.

Möglichkeiten der elektronischen Kennzeichnung

Bereits vor zwölf Jahren hat Dänemark gezeigt, dass die elektronische Identifizierung von Rindern die tägliche Arbeit vereinfacht und die Rückverfolgbarkeit verbessert. 2010 wurde dort auf Bestreben der hiesigen Züchter die obligatorische Kennzeichnung eingeführt. Mittlerweile legt die EU-Verordnung 654/2014 fest, dass seit dem 18. Juli 2019 jeder Mitgliedstaat der Europäischen Union die Möglichkeit zur elektronischen Kennzeichnung von Rindern sicherstellen muss. Die Auswahl der von der EU zugelassenen Kennzeichnungsmedien ist groß. Rinder können entweder nach den bestehenden Vorschriften mit zwei herkömmlichen Ohrmarken oder alternativ mit einer konventionellen Ohrmarke und einem von der EU zugelassenen Mikrochip ausgestattet werden. Hier wird die visuelle Kennzeichnung mit der elektronischen kombiniert.

Eine weitere Möglichkeit, den die EU-Verordnung vorsieht, ist der Bolus – ein Keramikzylinder, in dessen Innerem sich der eigentliche Transponder befindet. Oral zugeführt bleibt er aufgrund des Eigengewichts im Pansen oder Netzmagen liegen und wird dem Tier erst bei der Schlachtung entnommen. Das ebenfalls zugelassene Injektat, die dritte Variante, wird subkutan injiziert. Sie birgt jedoch das Risiko, dass Tiere, deren Injektat beim Schlachtvorgang unauffindbar ist, nicht für den menschlichen Verzehr verwendet werden können.

Die digitale Ohrmarke im Einsatz

Mehrere Staaten der EU wenden die elektronische Tierkennzeichnung bereits an – oft auf freiwilliger Basis, wie Deutschland. Anders beispielsweise in Österreich, wo seit Herbst 2019 neben der konventionellen Ohrmarke die zweite Marke auf dem linken Ohr mit einem integrierten elektronischen Chip verpflichtend eingezogen werden muss. Alle Kälber sowie die aus Drittländern eingeführten Rinder müssen mit dem neuen System gekennzeichnet werden. Die Erfassung der Tiere erfolgt über Radio-Frequenz-Identifikation (RFID), was ein berührungsloses und automatisches Identifizieren im Abstand von 20 bis 30 Zentimetern mit mobilen Lesegeräten und bis zu 100 Zentimetern mit stationären Lesegeräten ermöglicht. Die Ohrmarken sind als Nur-Lese-Passiv-Transponder mit FDX-B-Technologie ausgeführt und entsprechen den Normen ISO 11784 und ISO 11785. Auf dem Transponder ist ausschließlich die Lebensnummer des Tieres gespeichert. Er lässt sich mit Lesegeräten gemäß der Norm ISO 11785 auslesen.

Stand der Technik sind tragbare RFID-Scanner, wie sie auch auf der EuroTier in Hannover vorgestellt werden. Sie vereinen eine alphanumerische Tastatur und ein grafisches Display in einem robusten IP64 Gehäuse. Mit einer Speicherkapazität von bis zu 6.000 Ohrmarken bieten sie maximale Flexibilität bei der Arbeit auf dem Hof. Landwirte können so die visuelle Ohrmarke mit der elektronischen verknüpfen, das Gewicht speichern und den täglichen Fortschritt messen. Außerdem sind die Geräte in der Lage, mehrere Eigenschaften der Tiere wie Geschlecht, Rasse und Kondition zu speichern. Darüber hinaus lässt sich die Ohrmarke des Muttertieres mit dem Kalb verknüpfen. Selbst bei einem Batterieausfall bleiben die Daten erhalten. USB und Bluetooth als Standardschnittstellen sowie optionale Module für Mobilfunk oder WiFi gewährleisten eine flexible und drahtlose Kommunikation. Ergänzt werden die Scanner durch robuste Stablesegerät in Schutzklasse IP68, die für raue Umgebungen wie Schlachthöfe konzipiert sind. Dank eingebauter Echtzeituhr ermöglichen sie die Speicherung der Ohrmarken mit Zeitstempel.

Professionelles Management in der Tierhaltung

Die elektronische Ohrmarke schafft neue Möglichkeiten zur automatisierten Erfassung von Tier-, Leistungs- und Gesundheitsdaten. Lösungen, ursprünglich zur alleinigen Prozesssteuerung der Melk- und Stalltechnik entwickelt, werden nach und nach um Elemente des Bestandsmanagements ergänzt. Im modernen Stallmanagement bedeutet dies, dass an allen elektronisch gesteuerten Stationen wie Tränke, Futterstation oder Melkstand nur noch die Lebensnummer der Ohrmarke gelesen wird. Wiegen wird so, ohne großen Zeitaufwand und ohne das Tier zusätzlich zu stressen, möglich – denn das Gewicht wird z.B. beim Laufen über eine Plattform mit Wiegezellen automatisch aufgezeichnet. Die Identifizierung erfolgt über ein Ohrmarkenlesegerät, welches die Information speichert und an die Software für das Herden- und Betriebsmanagement weitergibt. Möglich wird so auch der Einsatz mobiler Datenerfassungsgeräte mit Anbindung an interne oder externe Datenbanken für das Herden- und Gesundheitsmanagement.

Auch die nachgelagerten Bereiche der Rinderhaltung profitieren von den elektronischen Ohrmarken, denn die einfache und schnelle Identifizierung der Schlachttiere ermöglicht höchste Sicherheits- und Qualitätsstandards bei der Erzeugung von tierischen Produkten. Die Wahl der geeigneten Software fällt allerdings nicht immer leicht. Auf der EuroTier 2022 finden Nutztierhalter eine Reihe professioneller Lösungen zur visuellen Darstellung und Bearbeitung von Tierdaten. Sie wandeln die Kennzeichnungs- und Überwachungsdaten in verwertbare Informationen um, die in intuitiven Dashboards angezeigt werden. Per Mausklick übernehmen sie den Austausch mit HI-Tier und erfüllen die Dokumentations- und Meldevorschriften in der Rinderhaltung.

Künftig soll der „Knopf im Ohr“ auch die individuelle Tierbetreuung erleichtern – denn weil bei der Beurteilung des Tierwohls letztlich immer das Einzeltier im Mittelpunkt steht, versprechen digitale Technologien eine stärkere Berücksichtigung der Bedürfnisse des Individuums. Ein Aspekt, der auch im DLG-Forum „Milch & Rind“ (Halle 12) und im Spotlight „Fokus Tierwohl“ (Halle 26) vom 15. bis 18. November auf dem Messegelände In Hannover diskutiert wird. Dort nehmen Fachleute zu aktuellen Fragen der Milchproduktion und Rinderhaltung Stellung und informieren über Themen wie kuhgebundene Kälberaufzucht.

weitere Informationen: DLG, www.dlg.org